Im Sipplinger Blättle Nr. 25 (20. Juni 2018) lesen wir auf der Titelseite – vor malerischer Dorfkulisse mit Kirchturm und See, tief rot unterlegt:
„Vertrauen beginnt mit der Wahrheit und endet mit der Wahrheit.“
Starke gewichtige Worte. Es fehlt allerdings ein erläuternder Beitrag für die Sipplinger Bürgerinnen und Bürger, worauf sich denn „Wahrheit“ und „Vertrauen“ beziehen soll:
Vertrauen in die Rathauspolitik?
Wahre Aussagen zur Zukunft Sipplingens?
Wahrhaftigkeit und Gemeinwohl-Verpflichtung der Gemeinräte?
Welche Wahrheiten sind gemeint?
- Die zukünftige Pro-Kopf-Verschuldung in Sipplingen steigt enorm an, weshalb die Handlungsspielräume für die Gemeindepolitik eng werden?
- Die Rathaus- und die Kirchturmsanierung werden deutlich teurer als geplant?
- Die Förderung des Sipplinger Vereinslebens rückt noch stärker in den Fokus der Gemeindepolitik?
- Das ambitionierte Bauvorhaben „Hohfelser“ steht kurz vor dem Durchbruch, und eine Vielzahl von egoistischen Einzelinteressen konnte überwunden werden?
- Ein Kulturhaus als lebendiger Ort der Begegnung wird in absehbarer Zeit gebaut?
- Bisher ungeahnte Einnahmequellen haben sich aufgetan?
Fragen und Annahmen, die auf vertrauensvolle Antworten warten.
Zum besseren Verständnis: Eine Aussage kann dann als „wahr“ gelten, wenn sie Anerkennung von allen vernünftigen Gesprächspartnern verdient und darüber ein öffentlich nachvollziehbarer Konsens erreicht werden kann. Alltagssprachlich können wir die „Wahrheit“ von der „Lüge“ als absichtlicher Äußerung der Unwahrheit oder Verschleierung von Tatsachen sowie dem „Irrtum“ als dem fälschlichen Fürwahrhalten abgrenzen. Was Wahrheit ist, hängt eng mit der Frage zusammen, wie wir Wahrheit erreichen können. Der Geltungsanspruch der Wahrheit einer Aussage wird idealtypisch im öffentlichen Gespräch eingelöst. Die Stärke des Arguments bemisst sich dabei an der Triftigkeit und Schlüssigkeit der ausgewiesenen Gründe. Der kluge Gedanke ist der sinnvolle Satz. Rede und Gegenrede in der Diskussion beziehen sich auf die Thematisierung und Kritik sämtlicher Vormeinungen. Die dazu notwendige Chancengleichheit wird als hohes politisches Gut wertgeschätzt. Dadurch entsteht Vertrauen und die Selbstverpflichtung zur Wahrhaftigkeit der eigenen Aussagen und Handlungen. Wir können (ein)sehen, wie eng wir in der Gemeinde miteinander verbunden und wechselseitig aufeinander angewiesen sind. Insofern dient eine Gemeinwohl- Ökonomie allen. Wir sind auf spürbare Resonanz angewiesen, um uns wieder zu finden: die Wiederentdeckung des Lebendigen in uns. Das gegebene Wort ist keine hohle Sprechblase, sondern vertrauensvolle AntWort in VerAntwortUng. Dies ist die Vertrauensgrundlage in einem gut funktionierenden Gemeinwesen, damit wir uns alle wieder mehr zutrauen, gemeinsam etwas Sinnvolles erreichen zu können.
Nehmen wir drei alltägliche Beispiele aus dem Gemeindeleben und prüfen diese auf Vertrauen und Wahrheit:
1. Musikkapelle Sipplingen
Die Musikkapelle ist ein Herzstück des kulturellen Lebens in der Gemeinde, in zahlreichen Verwandlungen mit unterschiedlichen musikalischen Darbietungen, verlässlich ganzjährig unterwegs (u.a. Dorfkonzerte, Fasnet, Weihnachten, Kirche, Repräsentanz in anderen Gemeinden). Das ist ein idealistisches, nicht selbstverständliches Engagement von über 50 Mitgliedern mit beträchtlicher Resonanz. Man tut Gutes für andere und für sich selbst. Wer diese wahre Aussage nicht teilen sollte, hole öffentlich zur Gegenrede aus, lege seine Argumente und Motive auf den Tisch. Dann können wir gemeinsam prüfen, was gilt!
Die Musikkapelle probt seit der Rathaussanierung vorübergehend in der Schule unter akustisch miserablen Bedingungen. Nach der Rathaussanierung kann die Musikkapelle wieder in den alten, dann neu gestalteten Proberaum im EG des Rathauses umziehen, so die Zusage von Altbürgermeister Neher. Dies wurde auch von Bürgermeister Gortat uneingeschränkt bestätigt.
Dennoch flackern immer wieder Gerüchte auf, dass dies nicht sicher sei, dass es andere Begehrlichkeiten gäbe. Wäre es da im Sinne einer vertrauensbildenden Maßnahme nicht sinnvoll, zeitnah einen Vertrag zwischen der Gemeinde und der Musikkapelle zu schließen, der diesen neuen Proberaum (mit einem fortschrittlichen Akustikkonzept ausgestattet!) für die Zukunft garantiert? Sicher eine sinnvolle langfristige Investition und eine stabile Vertrauensgrundlage.
Demokratie ist ein Resonanzraum. Er lebt von der aktiven Beteiligung der Bürger.
2. Sanierung des Rathauses und Förderung des Dorflebens
Die Rathaussanierung ist in vollem Gange. Leider scheinen die Kosten davon zu laufen: Derzeit sind wir bei 3,4 Millionen Euro (ursprünglich sollten es 2,9 Millionen sein) und kein Ende ist in Sicht. Wäre es da nicht sinnvoll, noch einmal über das zukünftige Nutzungskonzept öffentlich nachzudenken? Ist die Gemeindeverwaltung derzeit denn nicht gut in der Schule untergebracht, zentral gelegen in passenden Räumlichkeiten und mit Parkplätzen vor der Tür? Was sind die Ansichten und Argumente der Rathausmitarbeiter? Könnte aus dem alten sanierten Rathaus nicht ein vielfältiges „Haus der Vereine und Initiativen“ werden? Dazu ein Jugendclub und ein schickes Café im Erdgeschoss zur Dorfplatzbelebung? Gibt es einen Masterplan ‚Kultur 2020′ für Sipplingen? Zusätzlich würden wir uns einen aufwändigen teuren Umzug der Verwaltung und notwendige Umbauten/Rückbauten in der Schule ersparen.
3. Bauvorhaben ‚Hohfelser‘ und Möglichkeiten der Wohnraumschaffung
Nach Jahrzehnte langem Schlummer kommt Bewegung ins Spiel, dank der Tatkraft des Gemeinderats und des Bürgermeisters. 40 Baugrundstücke könnten entstehen. Nur: Denkt jeder in seiner Parzelle oder gibt es ein schlüssiges Gesamtkonzept? Wie wird bei den potenziellen Verkäufern der Grundstücke das Vertrauen in die Gemeinde hergestellt? Ist die Preiskalkulation nachvollziehbar, werden die angenommenen Prämissen von den Verkäufern geteilt? Scheitert die gemeinsame Sache an der materiellen Gier Einzelner? Gibt es Alternativen der Nachverdichtung im Ort? Gibt es dazu Pläne im Rathaus? Werden die Bürger tatkräftig unterstützt ihre Bauvorhaben voranzutreiben oder eher behindert und entmutigt? Was ist hier die Wahrheit?
Alt-Bundeskanzler Konrad Adenauer hat nicht gesagt: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“ (wie es ihm irrtümlich oder absichtlich zugeschrieben wird), sondern er sagte: „Es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden.“ In diesem Sinne ist irrtümliches Fürwahrhalten zutiefst menschlich.
Den Irrtum aber zu korrigieren und nicht ängstlich an alten Verhaltensmustern und Glaubenssätzen festzuhalten, das ist wahre Stärke und Aufrichtigkeit der Person.
Freundliche Grüße vom Schallenberg
Dr. Michael Miller
Aktives Mitglied der Musikkapelle Sipplingen
28. Juni 2018
Transparenz
Wahrheit und Vertrauen – große Worte, sowohl in der globalen Politik als auch in unserer regionalen Gemeindepolitik leider eher Fremdwörter.
„Der Bürgermeister informiert“ heißt die Rubrik ganz vorn im Blättle – und worüber informiert er? Über Hundehaufen, aber weder über die nicht-öffentlichen Sitzungen noch über die Preiskalkulation am Hohfelser. „Öffentlichkeit ist der Sauerstoff der Demokratie“ hat Wallraff mal treffend gesagt. Transparenz ist das eine, Wahrheit das andere. „Nur wenige Menschen sind stark genug, um die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit zu hören.“ (Vauvenargues)
Herr Miller ist stark genug, um die Wahrheit anzusprechen. Welcher dem Gemeinwohl Verpflichteter ist stark genug, sie zu hören? Herr Miller gibt gute Denkanstöße, die richtig und wichtig sind, finanziell sinnvoll und kulturell reizvoll. Wieso vertraue ich einem solch engagierten Bürger (und da gibt es einige in unserer Gemeinde) mehr als unseren lokalen Politikern? Welcher Politiker ist stark genug, den engagierten Bürgern zu vertrauen?
Hallo Herr Zumbrock,
ich habe Ihren positiven Kommentar erst heute gelesen, inzwischen jedoch mit vielen Bürgerinnen und Bürgern, vorwiegend am See diskutiert. Insgesamt bin ich auf eine breite Zustimmung gestoßen. Die Beantwortung der 6 Hauptfragen steht jedoch von offizieller Seite noch aus.
Bürgermeister Gortat hat sich mit dem Vorstand der Musikkapelle erneut getroffen und beteuert, dass der Proberaum im alten, neu sanierten Rathaus erhalten bleibe. Zu einem Vertrag kam es allerdings nicht.
Wir brauchen m. E. nicht ständig gegenüber den gewählten Politikern mißtrauisch sein, sondern sie umgekehrt ermutigen öffentlich zu diskutieren, keine Angst zu haben, wenn sie mal daneben liegen sollten. Heute Politiker zu sein, ist ein schwieriger Job, der zahlreiche Interessen und Ansichten berücksichtigen muss. Ich hatte deshalb ganz bewusst herausgestellt:
Wir können (ein)sehen, wie eng wir in der Gemeinde miteinander verbunden und wechselseitig aufeinander angewiesen sind. Insofern dient eine Gemeinwohl- Ökonomie allen. Wir sind auf spürbare Resonanz angewiesen…
Beste Grüße vom Schallenberg